Wir Redakteur*innen vom vinyl-keks haben es ja eigentlich leicht. Wir suchen uns in der Regel die Platten zur Rezension selbst aus und fischen damit eigentlich immer in dem Teich, in dem die Fische schwimmen, die uns am besten schmecken.
Was aber tun, wenn es richtig geil ist? Also besser als einfach nur gut? So wie in diesem Fall: fluppe begeistern mich schon seit ihrem ersten Tape „Billstedt“ und das Debüt „Blüte“ drehte sich das ganze Jahr 2022 auf meinem Plattenteller. Auf „Boutique“ öffnen sich Josef Endicott, Antoine Laval, Lars Brunkhorst und Christian Klindworth jetzt bewusst Richtung Indie-Pop und das steht ihnen einfach richtig gut.
Die Melodien sind eingängiger, der Sound geschliffener und lyrisch trauen sich die vier auch, sehr direkt über vermeintlich uncooles wie Schmetterlinge im Bauch („Crystal“, im Duett mit der Hamburgerin Anna Wydra) oder (Selbst)Zweifel zu singen. Letzteres musikalisch umgesetzt in der wunderbaren Klavierballade „Zerstreut“, die wirklich unter die Haut geht, ohne dabei in Kitsch abzudriften. Und auch in „Seerosenräuber“ dominiert zunächst das Klavier, es folgen aber umgehend Gitarre, Bass und Drums und entwickeln den Song zu einer behaglichen und sentimentalen Coming-Of-Age Geschichte.
Auf der anderen Seite sorgen fluppe dafür, dass die Platte bzw. die Playlist eben nicht in die Kategorie Pop einsortiert werden sollte. Düster geht es beispielsweise auf „Paris“ zu, den Post-Punk klar im Visier. Das „Monster“ ist umwerfend instrumentiert und erinnert lyrisch und musikalisch an eine andere Hamburger Band. Und ich meine tatsächlich nicht die häufig im Zusammenhang mit fluppe genannten Tocotronic, sondern Kante. Mehr Theater eben.
Sie selbst beschreiben es so:
„Es gibt sicher einige Parameter, die wir mit Tocotronic gemeinsam haben – deutsche Texte, gitarrenlastige Musik, als Hamburger Band wahrgenommen zu werden und vielleicht eine gewisse Haltung zu bestimmten gesellschaftlichen Themen. Ich kann damit also prima leben und es hilft Leuten, schnell eine Idee für die Band bezüglich Sounds, Instrumentalisierungen und Haltung zu bekommen (Antoine Laval).“
Gerne kennenlernen würde ich die Protagonisten der beiden Smasher „Kleinschmidt“ und „Martin“, die auf den bevorstehenden Gigs sicherlich zur Setlist gehören werden (Vorverkauf nutzen!). Ich habe das Gefühl, dass es sich hier auch um ein und dieselbe Person handeln könnte, aber das kann nur die Band beantworten.
Liebe Leser*innen, fluppe sind im besten Sinne ein Jahrzehnt zu spät dran. Hätte der deutsche Indie jenseits von Thees Uhlmann noch eine Lobby, ich wäre ihr Präsident. Ihre Musik ist einfallsreich, die Texte authentisch und die vier sind bestimmt auch freundliche Zeitgenossen. Ich werde es auf der Tour überprüfen und melde mich wieder. Und hört auf, fluppe mit einem großen F zu schreiben. Dankeschön.
Boutique ist erschienen bei la pochette surprise und Chateau Lala und das Vinyl gibt es orange, white und black – letzteres genialerweise ebenfalls auf 100 St. limitiert.