Ach ja. Jazz und ich. Wir hatten das Thema schon mal, als ich “The Zone” by Daniele Del Monaco rezensiert habe. (Hier könntet ihr’s nochmal nachlesen.) Unsere Beziehung, also der Jazz und ich, ist nicht so einfach. Immer wieder machen wir Schritte aufeinander zu und ich finde wirklich Gefallen an der Musik, das ist zum Beispiel bei Danube’s Banks, und dann, dann sitzt man im Salon de Jazz, hört einer völlig unbekannten Combo zu und es ist wirklich ein netter Abend, bis es auf einmal so avantgardistisch wird, dass ich mich doch sehr beherrschen muss um nicht zum grantigen Nachbarn aus Helge Schneiders “Jazzclub” zu mutieren und laut skandierend brülle “Jazz, das ist doch nur dieleldadeldüdeldiedeldu!” Und dennoch, oder gerade deswegen, ich weiß es selbst nicht mehr so genau, habe ich nun “Woolgathering” von Datadyr hier liegen und ich nehme schon mal vorweg, das der grantige Nachbar in mir nicht zum Vorschein kommt.
Die ersten Töne des Openers “Tier” klingen so, als ob meine Tochter für die Schulband üben würde und man nicht weiß, ob es jetzt ein improvisiertes Gespiele ist, oder sie einfach die Melodie noch nicht sicher beherrscht. Das ändert sich rasch, denn schnell wird klar dass hier jeder der drei Musiker sein Instrument beherrscht, wobei “beherrscht” im Wortsinne eigentlich falsch ist, weil es eine Hierarchie impliziert, wo es doch eher nach einer Einheit von Musikschaffenden und Instrument klingt, die nun mal, dass liegt in der Natur der Sache, nicht ohne einander können. Das Können von Muikschaffenden kommt ja auch immer da besonders zum Ausdruck, wo Genregrenzen verlassen werden. Und das passiert hier auch gleich zu Beginn, weil “Tier” ziemlich schnell, ziemlich rockig wird, was wohl allen voran der Gitarre geschuldet ist.
In anderen Songs verliert sich der Rock ‘n Roll und es wird klassischer, wie “Woolgathering”. Und hier trifft der Songtitel zu 100% zu, kann das Lied eigentlich gar nicht anders heißen und kann gar nicht anders beschrieben werden als mit diesem Wort. Ich persönlich hätte mir mehr Songs wie diesen gewünscht, oder wie “Long Anging Moon”, mit dem die Platte endet.
In “Daybreaking” wird dann wieder mehr Tempo aufgenommen und die Zerstreutheit mittels dem Einsatz von Saxophon zerstreut. In ähnlichem Tempo geht es nun auf der B-Seite weiter mit “FastUp”. Auch hier sagt der Titel schon alles. Es folgen zwei weitere Songs und schon ist’s vorbei.
Die drei bis rund sechseinhalb Minuten langen Songs kann man schon fast als kurz und knackig bezeichnen und führen die Hörerschaft einmal sachte durch die Möglichkeiten, die Jazz zu bieten hat, ohne zu sehr in ein Extrem zum rutschen. “Woolgathering” ein Album für Menschen, die sich auch mal gerne außerhalb der vertrauten Genre umhören und um Jazz nur einen Bogen machten, weil ihm immer noch eine etwas staubige, anstrengende Intellektuellen-Attidüde anhängt. Datadyr (um mal im klischeelastigen Bild zu bleiben) lüften aber den muffigen Jazz-Keller-Club mal ordentlich durch. Hier vereinen sich Rotwein und Hansa Pils und man mag nicht glauben, dass das eine gute Mischung ist. Aber musikalisch geht sie voll auf und macht Begegnungen möglich.
Erschienen ist “Woolgathering” von Datadyr am 10. Juni bei is it Jazz? Records. Erhältlich ist das limitierte rote Vinyl unter anderem hier.