Es ist der 22.05.2021, die Inzidenz-Zahlen sinken zwar, aber die Normalität ist weit weg. Dazu kommt, mein Lieblingsverein krönt eine durchwachsene Saison mit dem Nichterreichen eines europäischen Wettbewerbs. Doch damit nicht genug, im Fernsehen läuft ESC – Eurovision Song Contest 2021. Das ist für mich der Musikantenstadl im Quadrat, aufgeführt im Event-Saal des Traumschiff. Überall strahlende Gesichter, die sich quer durch Europa eine mehrstündige Musikbeschallung reinziehen, die seines Gleichen sucht. Aber vier Fünftel der Familie ist glücklich, nur die Katze hält zu mir und meinem Alternativprogramm. Und mein Alternativprogramm hat es in sich: DIE DORKS mit “Die Maschine von Morgen” sind bei mir zu Gast.
Wow! was für ein geiles Album. Ich muß erstmal tief Luft holen und sacken lassen. Wass hat mich jetzt eigentlich mehr von den Socken geholt? Die musikalische Seite der Band, die wirklich ausgefeilten guten Texte oder das Charisma der Powerfrau und Sängerin und Gitarristin Lizal Donk? Fairerweise sei an dieser Stelle auch der Rest Band genannt: Gitarre – Pät Durango, Bass – Mark von Elend sowie an den Drums – Bons Dork. Wie auch immer das Album hat etwas in meinem Kopf zum Schwingen gebracht, dass es erstmal heißt, runterkommen und sacken lassen. Aber gehen wir es mal an. Nach einen kurzem Intro, überrollt den Hörer “Die Maschinen von Morgen” in einem brachialen Trash. Dabei schmettert die Sängerin ihre Text mit einer Inbrunst entgegen, als wäre das jüngste Gericht. Die Texte seien an dieser Stelle noch mal gelobt. “Die Maschine von Morgen” ist ein Album voller Gesellschaftskritik. Es handelt von Selbstverwirklichung, eigenständigem Denken, Konsum, Umweltschutz, Toleranz und der Eitelkeit. Die ganze Palette ist dabei und wird lautstark ohne Umweg dem Hörer mit erhobenen Mittelfinger entgegen geschleudert. Man hat keine Chance hier wegzuhören, denn man den Texten genug Platz und Raum gegeben, um wahrgenommen zu werden. Hier geht es nicht in erster Linie ums Mitsingen, sondern um aktives Zuhören und Gedanken machen.
Hier könnt ihr euch mal ein Bild von der Qualität der Band machen. Der Song “Freaks ohne Namen”
Generell bin ich der Meinung, dass diese Band als Einheit keine Verstärkung durch zusätzliche Künstler benötigt, aber an dieser Stelle bekommt der Song “Jobcenter” einen absoluten Mehrwert durch die Unterstützung von Gerre von der Thrashband Tankard. Nach mehrmaligem Hören wird “Jobcenter” sogar mein Lieblingssong des Albums, weil er doch sehr eingängig ist und eine Hommage an die brotlose Kunst ist, die ruhig vom Staat finanziert könnte. Wie ich finde der eingängigste Song auf dem Album. Eine Hommage an die brotlose Kunst, die ruhig vom Staat finanziert werden könnte. Textzeile: “Wir sind alle völlig pleite. Doch jeder denkt, wir wären reich. Rockstars auf Pump ziehen an den heiligen Ort. Damit uns die Kohle reicht: Ins Jobcenter!” Herrlich.
Textlich spricht insbesondere der Song “Ob ich morgen noch so bin” an. Ein Song über Selbstcourage und die Hoffnung, dass man diese Courage auch noch morgen sein eigen nennt.
Ich gebe gerne zu, “Die Maschien Von Morgen” ist keine leichte Kost. DIE DORKS kämpfen ihren Kampf gegen die geistige Inflation der Gesellschaft, die oberflächliche Haltung in vielen Dingen sowie den moralischen Verfall auf allen Ebenen. Die Songs strotzen vor Detail aus den Bereichen Metal, Thrash und Punk, so dass man immer wieder neue Details entdecken kann. Und die Texte. Ich muss noch mal die Texte loben. Hier hat jeder Song mehr Inhalt, als ein komplettes Album mancher Band. Somit schließt sich der Kreis zum ESC und meiner Abneigung dazu. Aber ehrlich, heute Abend waren DIE DORKS die bessere Wahl und meine besten Freunde.
Die Hardfacts noch am Ende: das Album kommt mit vier wunderschön grünen Seiten zu euch. Die dreizehn Tracks dauern etwa 70 Minuten und dem Album liegt ein ausführliches Innensleeve bei, welches auch die Texte enthält. Ich kannte die Band zuvor nicht, habe mich aber mal durch ein paar alte Sachen gehört und muß beeindruckt feststellen, dass die Band sich musikalisch und textlich deutlich entwickelt hat. Da bin ich wirklich gespannt, wohin die Reise, die als Dorf-Punks mal gestartet hat, enden wird. Wer noch dabei sein möchte, bekommt hier ein feines deutschsprachiges Album einer sehr ambitionierten Band aus Marktl am Inn.