In den letzten Wochen waren an dieser Stelle wieder interessante Interviews zu lesen, zum Beispiel zum Tour- und Tresenalltag von Steffi aus Leipzig und vor allem freuen wir uns, dass wir Bernadette La Hengst als Interview-Partnerin gewinnen konnten. Mit unserer heutigen Frau im Musikbusiness blicken wir hinter die Kulissen der Veranstaltungen: Clara als Lichttechnikerin gibt uns einen Einblick in ihren Beruf.
Hallo Clara, du arbeitest als Lichttechnikerin – ein Bereich, in dem man selten Frauen antrifft – wie bist du zu der Entscheidung gekommen und wo genau arbeitest du?
Hallo, vielen Dank erstmal für die Fragen und das Interesse an meinem Beruf. Ich freue mich sehr und habe schon mit viel Interesse die anderen Interviews gelesen.
So, zur Frage:
Ja, das stimmt wohl – der Beruf ist für Frauen noch relativ untypisch, im Moment noch zumindest. Ich bin auch ganz zufällig darauf gekommen, weil ich ein Jahr im Neuen Schauspiel Leipzig, einem kleinen Theater der freien Szene, gearbeitet habe. Ich habe dort alles mögliche mitgemacht, wie das in kleinen Häusern eben so ist und habe irgendwann in den Proben für ein Theaterstück bemerkt, dass ich mich mehr dafür interessiere, was der Techniker dort so macht. Dann habe ich mich einfach immer mit dazu gesetzt, Fragen gestellt und mir alles erklären lassen. Irgendwann habe ich dann angefangen, Stücke zu übernehmen und selbst erste Shows zu fahren. Mit der neuen Begeisterung habe ich mich dann an die Firma gewendet, die das Theater seit Beginn mit Technik unterstützt und habe mit dem Chef geredet, ob ich bei ihm eine Ausbildung machen kann. So kam ich dann dazu, bei Stage2go in Leipzig meine Ausbildung als Fachkraft für Veranstaltungstechnik zu machen. Da arbeite ich jetzt noch und auch im Neuen Schauspiel bin ich noch aktiv.
Kannst du dich an das erste Konzert erinnern, bei dem du Licht gemacht hast und wie war das für dich?
Ja, ich habe zwar vorher kleinere Konzerte im Theater gemacht, aber das erste, an das ich mich erinnere, bei dem ich gezittert habe vor Aufregung, war dann in der Ausbildung. Das war ein ausverkauftes Konzert im Täubchenthal und ich sollte die Vorband fahren. Die Minuten bevor es losging waren hart, ich habe mir die Leute und den vollen Saal angeschaut und hatte furchtbares Herzrasen. Mein Kollege hat mich mehrmals umarmt und versucht mir gut zuzureden. Man sah mir meine Panik wohl an 😉 Danach war es natürlich ein tolles Gefühl, eben das Gefühl, was man hat, wenn man etwas geschafft hat, von dem man vorher in der Aufregung dachte, dass man es nicht hinbekommen würde. Danach war mir klar: Ich will das unbedingt machen.
Was bedeutet Feminismus für dich?
Feminismus bedeutet für mich ganz allgemein die uneingeschränkte und absolute Gleichberechtigung von Mann und Frau. Niemand will sich ständig beweisen müssen, das macht doch keinen Spaß. Die selbe Akzeptanz für das zu bekommen, was man macht und wer und wie man ist. Und dahin sollten wir kommen.
Was denkst du, warum in deiner Branche so wenig Frauen arbeiten?
Vielleicht gibt es tatsächlich ein geringeres Interesse für Technik im Allgemeinen, wobei das eher eine Vermutung ist und natürlich nicht pauschal zutrifft. Außerdem ist es wohl tatsächlich schwieriger rein zu kommen und akzeptiert zu werden. Eine Frau, die eine Weile bei uns in der Firma gearbeitet hat, hat erzählt, dass sie bei vielen Firmen für ein Praktikum angefragt hatte und diese ihr mit dem Argument abgesagt haben, sie sei eine Frau und damit könne man nichts anfangen. Das fand ich so hart. Ich hoffe sehr, dass die Männer in genau solchen handwerklichen Berufen irgendwann verstehen, dass wir diese Berufe genauso gut machen können wie sie und ihnen da trotzdem nichts wegnehmen. Naja, das wird wohl noch etwas dauern.
Fühlst du dich in Anbetracht deiner vielen männlichen Kollegen manchmal ungerecht behandelt? Wie zeigt sich das und was würdest du dir wünschen?
Das passiert schon, ja. Wobei das natürlich nicht der Alltag ist, sondern Ausnahmefälle (und dabei auch nicht nur von Kollegen aus der Technik, sondern auch anderen Leuten, die auf Produktionen so dabei sind). Manche haben da das Bedürfnis, mir erklären zu wollen, was oder wie ich etwas tun soll. Ich denke, dass sie mir eigentlich helfen wollen, sind dabei aber oft eben auch so daneben, dass es für mich in die Kategorie „Mansplaining“ fällt, von dem ich eher genervt bin, als mir das Konstruktive rausziehen zu können. Ich würde mir wünschen, dass man mehr versucht sich tatsächlich zu unterstützen. Ich werde immer fragen, wenn ich Hilfe brauche. Wenn ich keine Hilfe brauche, brauche ich in dem Moment auch keine ungefragte Meinung von außen.
Gibt es ein besonders ergreifendes, tolles oder sogar mieses Erlebnis, das du mit Sicherheit nie vergessen wirst?
Über diese Frage habe ich wohl am meisten nachgedacht, komme aber zu keinem wirklichen Entschluss. Es gibt oft ganz tolle Erlebnisse, Kleinigkeiten aber eher, die zum Erzählen gar nicht so spannend sind, mich aber im Nachhinein noch freuen.
Was denkst du wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert hat? Hast du bei deiner Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
Aus beruflicher Sicht kann ich dazu noch relativ wenig sagen, ich mache den Beruf erst seit knapp fünf Jahren, da bin ich selbst also noch relativ neu. Ich finde immer noch, dass wir es schwieriger haben, akzeptiert zu werden und als Teil des Business zu gelten. Ich habe schon mal mit Männern von Produktionen zu „kämpfen“, die mich nicht als ernstzunehmende Technikerin sehen. Genauso, denke ich, geht es Bandleaderinnen und Betreiberinnen von Clubs usw.. Wir haben definitiv noch nicht den „Turning Point“ erreicht, den wir bräuchten. So, dass wir Frauen als Teil der Musikbranche, in welchem Zweig auch immer, nicht mehr einfach pauschal aufgrund unseres Geschlechts in Frage gestellt werden.
Frage zur aktuellen Lage: Wie verändert Corona deine derzeitige und zukünftige Arbeit als Lichttechnikerin?
Es ändert sich natürlich alles gerade. Wir sind alle gespannt, wann wir endlich wieder viele Menschen, laute Musik und tolles Licht erleben dürfen 😉
Es war komisch mitanzusehen, wie in dieser Woche, als das so losging mit den Einschränkungen, überall um uns herum alles weggebrochen ist. Ich bin derzeit in Kurzarbeit und habe da also mit meiner Festanstellung erstmal das „Privileg“ meinen Lebensunterhalt weiter so bestreiten zu können. Ich wollte dieses Jahr allerdings eigentlich auch Stück für Stück meine Selbstständigkeit angehen, habe ein Nebengewerbe angemeldet und hatte mich riesig darauf gefreut. Das ist jetzt eben alles auf Eis gelegt und niemand weiß, wann und ob es so weiter gehen kann wie bisher. Ich hoffe, dass die Musik-, Theater-, und Partyszene danach ein Hoch erlebt, weil alle heiß darauf sind, sich Dinge wieder live ansehen zu können.
Auf welche in der Zukunft liegenden Ereignisse freust du dich besonders? Gibt es etwas, was du unbedingt erleben möchtest, vielleicht eine Band, die du gern mal beleuchten würdest oder ein Festival, auf dem du arbeiten willst?
Realistisch oder unrealistisch? 😉 Ich würde Tom Waits gerne nochmal auf die Bühne zerren und als seine Lichttechnikerin arbeiten, aber dafür bin ich wohl etwas zu spät. Aber auch realistisch gibt es ein paar Bands, bei denen ich immer Licht im Kopf habe, wenn ich deren Musik höre und mit denen ich gerne mal auf Tour gehen würde. Das wären allerdings zu viele, um das aufzuzählen. Hauptsache ist, man versteht sich und freut sich jeden Abend, die selben Songs wieder und wieder zu hören und mit Licht einen Teil dazu zu geben, dass es ein tolles Konzert wird. Ich bin gespannt, was da kommt 🙂
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Ja, zum einen hoffe ich, dass viele Männer diese Beiträge lesen und irgendwann auch sehen, dass diese Branche noch viel mehr Weiblichkeit braucht. Ich hoffe, sie bekommt es. Zum Anderen, ein persönliches Anliegen: Ich habe so oft mitbekommen, wie Gäste sich beschweren, das Theaterstück oder das Konzert sei ihnen zu teuer, versuchen Rabatte herauszuschlagen, die es nicht gibt und dergleichen. Andererseits wird dann beim Kino z.B. ohne zu meckern der Preis bezahlt. Ich frage mich oft, wann da die Wertigkeit verrutscht ist. An zum Beispiel einer Theaterproduktion gerade in der Off-Szene hängen sowieso schon so viele ehrenamtliche Leistungen hinten dran, deshalb kostet das dann auch seinen Eintritt. Bei Konzerten natürlich dasselbe, ich denke, das muss ich nicht weiter ausführen. Ich finde es schade, dass das scheinbar oft nicht verstanden wird und wünsche mir da größere Wertschätzung. Na jedenfalls: Unterstützt bitte die lokale Szene, sie ist so unfassbar wichtig und wunderschön.
Vielen Dank für das tolle Interview, Clara!
Copyright Teaser-Bild: Rebecca Schöler