Nachdem wir in den vergangenen zwei Wochen mit Ronja vom Plastic Bomb Fanzine und Bernadette La Hengst wieder zwei äußerst spannende Interviews in unserer Reihe hatten, versorgen wir euch heute mit einer weiteren starken Frau, die sich in der Szene bestens auskennt und mitmischt. Steffi aus Leipzig hat uns ein paar Fragen zu Ihrer Arbeit im Stoned beantwortet und gibt uns außerdem Einblicke in ins turbolente Tourleben.
Hallo Steffi, du arbeitest im Stoned in Leipzig und machst dort Veranstaltungen. Wann hast du damit angefangen und wie kam es dazu?
Hey Chrissi, danke für die Einladung! Wir veranstalten ja im Stoned immer gerne Konzerte und im Laufe der Jahre und durchs Touren lernt man ja auch immer super viele Leute kennen und dann kam das eigentlich alles eher zufällig, Freund*innen fragen an, ob sie bei uns spielen dürfen, ich frag den Chef, ob ich das veranstalten darf und Chef sagt “ja”. Ich hab da echt nen guten Treffer gelandet mit ihm.
Kannst du dich an deine erste Veranstaltung erinnern, die du organisiert hast? Wer hat da gespielt und wie war das für dich?
Die erste Veranstaltung, an der ich mitgewirkt habe, war irgendwann mal mit 18 in einem Jugendclub in Chemnitz. Da hab ich auch an der Bar mitgemacht und gemerkt, dass mir das Rumorganisieren irgendwie Spaß macht, allerdings kann ich dir echt nicht mehr sagen, wer das war. Bevor ich dann irgendwann hier in Leipzig im Stoned angefangen habe, hab ich noch in anderen Clubs in Leipzig gearbeitet und da glaube 2012 oder 2013 mein erstes ‘richtiges’ Konzert in Leipzig veranstaltet. Ich glaube das war damals Tigeryouth, Bad Drugs (ein Nebenprojekt von Matze Rossi) und Käfer K.. Tigeryouth ist ein guter Freund von mir und er hatte damals gefragt, ob wir nicht Bock haben, was mit ihm zu machen. Mit Tigeryouth war ich auch zu der Zeit zum ersten Mal auf Tour. Im Stoned bin ich jetzt seit Herbst 2013 und darf da auch immer mal eigene Sachen machen.
Außerdem bist du auch als Tour-Managerin tätig, mit welchen Bands warst du zuletzt unterwegs und wie gestaltet sich deine Arbeit in diesem Bereich?
Meine letzte Tour war eine ganz kleine Ende 2019 mit meinen Jungs von Sunliner aus Leeds (ehemals Jake & the Jellyfish), da waren wir als Support für Buster Shuffle unterwegs. Mit denen (also Sunliner) bin ich seit 2017 viel mit auf Tour und hab auch eine zeitlang deren Booking mitgemacht, und dann gibts da noch Faintest Idea aus Norwich, mit denen toure ich seit 2015.
Beide Bands kommen aus England und sprechen quasi kein Deutsch, also besteht natürlich ein großer Teil aus Übersetzen. Ansonsten bin ich irgendwie für alles zuständig: Ich passe auf, dass alle pünktlich am Bus sind morgens wenn wir weiterfahren müssen, dass niemand etwas vergisst (und wenn doch mal zufällig ein Schlagzeuger seine Becken in Hamburg liegen lässt, aber wir das erst abends beim Load In in Holland merken, dann schau ich zu, dass das irgendwie geregelt wird) oder dass wir keinen Ärger mit der Polizei bekommen, weil vielleicht zufällig nicht alle Fahrzeugpapiere am Start sind (die Briten machen das anders als wir).
In den Venues ist dann Koordinieren zwischen Band und Veranstalter*innen meine Aufgabe. In manchen Läden läuft das quasi von selbst, in anderen muss ich dann schon mal rumdiskutieren, damit wir unsere Gage bekommen oder den Veranstalter*innen erklären, dass vielleicht vor dem Eintreffen der Band mal der Rider gelesen werden sollte, wie das eben so ist :).
Abends findet man mich dann im Regelfall am Merch, den zu verkaufen gehört auch noch mit zu meinen Aufgaben, da freue ich mich übrigens immer über ein Bierchen, sollte das jemand lesen und mich mal auf einem Konzert sehen.
Naja, ansonsten besteht so ein Tourtag für mich aus viel Warten, die ‘aufregenden’ Sachen komprimieren sich ja meist auf ein paar Stunden, aber die sinds dann auch immer wert.
Hand aufs Herz: Corona trifft uns gerade im Veranstaltungsbereich bis ins Mark – wie sieht es für dich in deinem Schaffensbereich für 2020 aus?
Naja, mein Festivalsommer ist ja nun ins Wasser gefallen, eigentlich sollte ich diese Woche in den Flieger nach England steigen, um zum Manchester Punk Festival zu fliegen, und dann stand ne Tour im Juli mit Sunliner und eine im August mit Faintest Idea an, da sollten wir auch neben anderen vielen schönen Festivals auf dem Punk Rock Holiday spielen, was quasi seit Jahren zu meinem Sommer fest dazu gehört. Offiziell ist davon noch nix abgesagt, aber intern ist das Ding durch. Da ich als Tour-Managerin im DIY-Bereich unterwegs bin, ist das jetzt finanziell für mich persönlich kein krasser Verlust, aber natürlich absolut schlimm für Veranstalter*innen, alle die mitwirken und die Bands. Das geht ja bei einem Festival wie dem PRH bis hin zu den Reinigungskräften, die da das Gelände aufräumen und denen das jetzt abgesagt wurde, oder noch wird. Richtig Sorgen mach ich mir aber um die ganzen Venues, die jetzt keinerlei Einkomen mehr haben, ich hoffe die überleben das alle.
In der Kneipe haben wir erstmal alles bis Herbst abgesagt, da wir im Sommer aber eh nicht veranstalten können, war das nicht super viel. Ende Oktober planen wir da die nächsten Konzerte, hoffentlich wird das dann auch wieder was.
Gibt es ein besonders ergreifendes, tolles oder sogar mieses Erlebnis als Bookerin/Tour-Managerin, das du mit Sicherheit nie vergessen wirst?
Am meisten freu ich mich immer, wenn einfach alles funktioniert und ich merke, dass ‘meine’ Band bei den Leuten gut ankommt, wenn die Menschen die Songs mitsingen und ne gute Zeit haben oder wir hinterher noch mit einigen zusammen stehen und ich merke, dass da irgendwas hängen geblieben ist.
Beide meiner Hauptbands sind auch sehr politisch, da steckt viel Message dahinter und wenn davon was ankommt, ist das toll. Faintest Idea haben zum Beispiel gerade eine neue Single rausgebracht die sie ganz speziell uns hier in Leipzig gewidmet haben, nachdem sie vor 5 Jahren die Legidascheiße mitbekommen haben. Stomp Them Down heißt der Track. Als Dani, der Sänger, mir von seiner Idee erzählt hat, hat mich das schon sehr gerührt.
Richtig schön war auch der Auftritt von Sunliner letztes Jahr auf dem Punk Rock Holiday, wir hatten einen super frühen Slot am vierten Tag des Festivals aber trotzdem kamen super viele Leute und haben mit uns gefeiert und mir hinterher den Merch aus den Händen gerissen. Das war n schönes Ding.
Richtig miese Sachen sind mir selbst auf Tour noch nie passiert, man hat immer mal die ein oder anderen Veranstalter*innen, die nicht zahlen wollen, und das ist immer ärgerlich. Naja, und dann ist das als Frau auf Tour natürlich auch immer so ne Sache. Da kommen schon ab und an mal richtig dämliche Sprüche, mit wem aus der Band ich denn schlafen würde und so, oder ich werde einfach ignoriert oder auch gern mal als Groupie bezeichnet, sowas regt mich natürlich immer unendlich auf. Meine Bands stehen da aber auch voll hinter mir und bisher haben auch immer alle Veranstalter*innen gut darauf reagiert.
Was denkst du wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert hat? Hast du bei deiner Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
Gute Frage, sowas ändert sich natürlich immer graduell. Ich glaube schon, dass ich es weniger schwer habe als noch am Anfang meiner TM Zeit, allerdings bewege ich mich mit meinen Bands ja auch meist in einer Filterblase die verhältnismäßig gut ist, was das angeht. Ich merke aber auf jeden Fall, dass wir Frauen uns untereinander super vernetzt haben, da gibt es sehr viel Rückhalt und Unterstützung und ich würde auch behaupten wollen, dass die blöden Kommentare weniger werden und ich auch mehr den Respekt bekomme, den ich eigentlich von Vornherein haben sollte.
Und dann gibt es natürlich auch so grandiose Projekte und Bands wie Petrol Girls, die da richtig viel bewegen und sich einsetzen, mir geht immer wieder das Herz auf, wenn wir uns auf Tour oder auf irgendwelchen Festivals treffen und ich sehen kann, wie deren mühsame Arbeit immer mehr Menschen erreicht.
Wie nimmst du die Arbeit deiner männlichen Kollegen wahr und gibt es Bereiche, in denen du dich benachteiligt fühlst? Was denkst du, sind die Gründe dafür?
Grundsätzlich müssen Männer eben einfach immer nur da sein, und das reicht schon und wir als Frauen müssen uns meist erstmal beweisen und das nervt. Ich hab daraus jetzt keinen direkten Nachteil, ich bekomm ja nicht weniger Geld oder einen blöderen Schlafplatz oder so deswegen, aber natürlich muss ich mich deswegen häufig rechtfertigen, mich mit Idioten rumschlagen, diskutieren und sonst was. Der mentale Arbeitsaufwand ist da manchmal schon echt viel, aber das muss eben auch gemacht werden. Die Gründe dafür sind schwierig zu definieren, Männer in der Musik sind eben der Status Quo und Frauen sieht man häufig nur als hübsche Deko. Letztes Jahr haben auf dem PRH ungefähr 50 Bands gespielt, gerade mal 9 davon bestanden nicht komplett aus Männern.
Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?
Natürlich bezeichne ich mich als Feministin. Ums mal ganz genau zu nehmen, steh ich für den intersektionalen Feminismus ein, bei dem es darum geht, dass wir nicht nur den Sexismus als Problem sehen, sondern auch, dass ich als weiße Frau zwar benachteiligt werde, aber eben andere Frauen aufgrund von zum Beispiel Rassismus in Kombination mit Sexismus eben noch viel mehr. Grob gesagt quasi. Für mich bedeutet das, dass ich mich überall da einsetze, wo ich kann, natürlich für mich selbst, aber auch für andere. Ich bin eine stolze Feministin und das sollte eigentlich auch jede*r sein. Wir haben jetzt das Jahr 2020 und irgendwie ist immer noch nicht alles cool. Feminismus ist für jeden. Mir geht’s ja auch nicht darum, dass ich genauso wie ein Mann behandelt werde, sondern, dass ich die gleichen Rechte und Möglichkeiten wie ein Mann verdiene. Genauso wie jede*r andere Mensch auf der Welt. Und das geht natürlich in alle Bereiche, lasst uns doch mal alle auf stereotypische Genderrollen scheißen, dann geht’s allen besser, auch den Männern.
Auf welche in der Zukunft liegenden Ereignisse freust du dich besonders? Gibt es etwas, was du unbedingt erleben möchtest, vielleicht eine Band, oder ein Festival, bei dem du in irgendeiner Art und Weise mitwirken möchtest?
Ich glaub im Moment freu ich mich am meisten darauf wieder im Stoned hinter meinem Tresen stehen zu können, möglichst mit ner lieben Band, die dabei spielt und mit den Stammgäst*innen ein Bierchen trinken zu können, ganz einfach.
Außerdem findet mein halbes Leben immer auch ein bisschen in England statt, ich bin da sehr häufig, und die Leute fehlen mir natürlich sehr. Ich werde also hoffentlich bald wieder im nächsten Flieger Richtung Insel sitzen und schlechtes, aber überteuertes Dosenbier trinken.
Und dann hoffe ich, dass wir nächstes Jahr alles nachholen können und ich wieder mit meinen Bands in alten, ranzigen, britischen Tourbussen sitzen kann, bisschen verkatert vom Vortag, nicht mehr ganz frisch riechend, und auf dem Weg zu irgendeinem tollen Festival.
Ich würd echt gern mal mit aufs Fest fahren, das ist ein Festival im Herbst in Florida, die haben immer das krasseste Line Up. Sunliner sollen da dieses Jahr wieder spielen, mal schauen, ob das was wird. Außerdem würd ich gern mal mit den Flatliners auf Tour gehen, das ist meine absolute Lieblingsband und deren Sänger Chris ist auch einfach der netteste Typ der Welt.
Es gibt echt viele Festivals, an denen ich gern mitwirken würde, am meisten da vielleicht das Manchester Punk Festival, da hab ich einen sehr persönlichen Bezug zu, das wird von guten Freund*innen komplett DIY organisiert, und da sind immer super viele gute Freund*innen dabei, die ich sonst leider nur selten sehe.
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Support your local Punk Rock Bar und so. Geht natürlich mehr auf Konzerte, wenn wir das dann wieder dürfen, vor allem auf die kleinen in den ranzigen Läden umme Ecke. Unterstützt Projekte wie Solidarity not Silence, wo unter anderem die liebe Ren von den Petrol Girls beteiligt ist und vergesst vor allem nicht, dass es da noch echt viele Leute gibt, denen es noch viel schlechter geht als uns. Schaut mal virtuell bei eurer lokalen Help Refugee Organisation vorbei, unterstützt die Seebrücke und kauft nicht die ganze Zeit Kram bei Amazon 🙂
https://www.facebook.com/solidaritynotsilence/
Danke für das tolle Interview, Steffi!