Abgefahren, abgefahrener, Henge. Das 2015 gegründete Electro-Psychedelic-Synthie-Space Rock-irgendwas-Quartett scheint wahrlich von einem anderen Planeten zu sein. Mindestens aber aus Manchester. Die Herren – oder nennen wir sie besser Charaktere – Zpor (Gitarre/Gesang), Goo (Bass, Synth Bass), Grok (Synthesizers) und Nom (Schlagzeug) bieten auf ihrem inzwischen dritten und selbstveröffentlichten Longplayer “Alpha Test 4” ein wahrlich abstruses Hörvergnügen.
The Prodigy meets Super Mario, Kraftwerk fusionieren gleich vollends mit Nintendo, oder auch Spacemen 3 (kennt die noch wer?) legen ne ordentliche Schippe Abgedrehtheit obendrauf, damit das mit dem Soundtrack für den nächsten Weltraum B-Movie auch ordentlich zündet. Anders kann ich Henge kaum umschreiben. Oder mit anderen Worten: da fehlen mir die Worte. Henge muss man mit eigenen Ohren gehört haben. Zumindest dann, wenn man sich zum Lachen nicht in den Keller verdrücken will und Musik trotz hohen Unterhaltungsfaktors eine*n auch so ein ganz kleines bisschen vor eine Herausforderung stellen darf.
Versuchen wir aber trotz der Sprach- und Fassungslosigkeit den ein oder anderen Song zu sezieren, damit ihr wenigstens im Ansatz eine Idee von der Musik bekommen könnt. Der Opener “Get A Wriggle On” eröffnet mit einer Synthie-Melodie, die mich an modernere Kinderlieder denken lässt. Man wird zur Bewegung animiert, die Melodie bleibt direkt hängen und versprüht Freude. Also genau das, was man mit Musik bei Kindern erreichen will, was im Falle von Henge aber auch bei Erwachsenen funktionieren könnte. Muss ständig an diese pädagogisch doch recht unwertvollen Teletubbies denken. Henge dagegen haben wohl eh keinen pädagogischen Auftrag zu erfüllen und sind somit vogelfrei. Und genau so geht es auch weiter im Song. Taktwechsel, irrwitzige Instrumentierungen und gleichzeitig Plastiksounds und dann noch dieser halsbrecherisch schnelle Sprechgesang. Scatman John (R.I.P.) grüßt aus dem Jenseits. Oder aus dem Orbit. Jedenfalls nicht von dieser Welt.
Noch ein irrwitziges Beispiel gefällig? Dann dieses hier: “Tardigrades” verbastelt in den Strophen diese schwelgerische Melodie aus Nancy Sinatras Titelsong “You Only Live Twice” zum gleichnamigen James Bond-Movie. Stellt man sich den MI6-Superhelden als Robocop vor, so könnte “Tardigrades” dann auch direkt als Soundtrack herhalten. Abermals muss ich kräftig schmunzeln. Und Kopf schütteln auch. Und freuen tu ich mich auch. Nur mein einjähriger Sohn neben mir schaut mich fassungslos an. Henges Kinderlieder scheinen also doch eher für die ganz großen Kinder gemacht zu sein.
Klar, wer so irrwitzig musiziert, der muss sich auch mindestens genauso irrwitzig kleiden, sonst ist das nur die halbe Miete. Schaut euch das unbedingt mal im www an. Ich muss da sofort an GWAR denken, auch wenn Henge musikalisch eindeutig auf einem anderen Stern spielen. Damit auch ihr zuhause oder zur nächsten Mottoparty stylish daherkommen könnt, haben Henge der Platte ganz tolle Tattoo-Abziehdinger beigefügt. Oder ist das doch wieder eher was für eure Kinder? Sticker gibt’s dann auch noch als Bonus.
Ansonsten liegen “Alpha Test 4” leider keine schriftlichen Informationen bei. Vermutlich geht es ihnen aber ganz viel um den Weltraum und das Leben dort. Mindestens aber um die Musik von dort, die Henge hier für uns Erdenbürger*Innen auf so was irdischem wie Vinyl konserviert haben. Das Cover wartet mit edlem Prägedruck auf und macht aus der ganzen Geschichte eine runde Sache. Wer sich an das Universum von Henge heranwagen will, der/die möge sich “Alpha Test 4” z.B. bei JPC zulegen.