Wir alle kennen sie mittlerweile zur Genüge, die anklagenden und wehklagenden Gespräche über Corona und all seine Folgen. Eine anfängliche Ohnmacht wich immer mehr dem Frust und der Wut in dieser Kommunikation. Auch bei Musiker*innen und denjenigen, die Musik konsumieren wollen, machte sich zunehmend Resignation breit. Nicht nur, dass man sich um viele schöne musikalische Momente auf und vor der Bühne sowie den dazugehörigen zwischenmenschlichen Begegnungen betrogen fühlte. Es stellten sich zunehmend mehr Bands die Frage, ob ihre bloße Existenz ohne Auftritte spielen zu können (was in den allermeisten Fällen gleichzeitig die größte Chance darstellt, Aufmerksamkeit auf sich lenken zu können) denn überhaupt noch Sinn mache. Eine Frage, so simpel wie weitreichend. Die Antwort darauf lautet: ja. Unlängst berichtete mir der Betreiber eines Indie-Labels und -Plattenladens, dass er der großen Online-Nachfrage an Platten kaum mehr nachkommen kann. Die Menschen brauchen Musik, die Menschen wollen Musik und die Nachfrage danach ist ungebrochen. Dies sollte allen da draußen als Motivation gelten, die damit liebäugeln, die Gitarre an den Nagel zu hängen. Eine andere Form der Motivation könnte dieses Klientel aber auch aus der folgenden Geschichte ziehen. Der Geschichte der Jeanette Hubert und ihres Zweitwerks “Home”.
Der Titel des Albums lässt es bereits erahnen: “Home” entstand zuhause. Bereits lange vor Corona begann Jeanette Hubert ihre Songs zwischen Singer/Songwriter, Pop und Jazz in Eigenregie zu schreiben, zu arrangieren und schließlich aufzunehmen. Damals noch einfacher, musste das “Home” nicht zwangsweise aus den eigenen vier Wänden bestehen, sondern konnte sich überall dort befinden, wo Jeanette Hubert sich wohl, eben zuhause, fühlte. Und doch war dies letztlich in den meisten Fällen daheim. Ironie des Schicksals, dass gerade jetzt ihr so entstandenes neues Werk erscheint. Oder muss es letztlich genau so sein, um ein positives Beispiel zu geben, wie man auch in solch schwierigen Zeiten als Musiker*in kreativ, produktiv und vor allem aktiv sein kann, um sich dadurch auch die Motivation zu erhalten, weiterzumachen bis uns alle wieder bessere Zeiten ereilen?
Positive Beispiele, was die Musik selbst anbelangt, gibt es auf “Home” wiederum viele. Einzelne Songs hervorzuheben ist dabei schwer, aber auch gar nicht notwendig. Jeanette Hubert schafft es, ihren sämtlichen Songs die Einfachheit und Eingängigkeit des Pop sowie die Virtuosität des Jazz gleichermaßen einzuhauchen. Sie bewegt sich zwischen der Melancholie einer Tina Dico und der Direktheit einer Tracy Chapman und schafft mit “Home” ein homogenes Werk, wie aus einem Fluss, unabhängig davon, ob nun die Gitarre oder das Klavier das tragende Fundament des jeweiligen Songs bildet. Das ist wunderschön und strahlt in solch eigenwillig hektischen Zeiten wie diesen eine unglaubliche Ruhe und Harmonie aus, erdet geradezu. Wenn man schon viel Zeit zuhause verbringen muss, dann kann man sich diese auch möglichst harmonisch gestalten. Jeanette Hubert unterstützt uns dabei.
Das Artwork der Platte pflichtet dem musikalischen Inhalt bei. So simpel wie genial sind diverse Gegenstände abgebildet, die man zuhause unbedingt haben sollte: Musikinstrumente, Kaffeekanne und einen gemütlichen Teppich. Das Ganze auf dem einzig wahren Format, dem Inside/Out-Plattencover. Eine mit Texten und Credits bedruckte Innenhülle runden die Sache ab und falls man das “Home” dann doch mal verlassen muss, oder gar kann, kann man sich die elf Songs mit Hilfe des beiliegenden Download-Codes für unterwegs präparieren. Zu haben ist Jeanette Huberts neues Meisterwerk unter anderem hier.