Ich hab ja schon gar nicht mehr dran geglaubt, dass dieses Buch hier ankommt, aber nun ist es da, auch wenn ich garnicht mehr so genau weiß, warum ich mich gemeldet habe dieses Buch zu lesen und diese Besprechung zu verfassen. So n riesen Turbobier Fan bin ich nämlich nicht. Ich schätze die Mundart und wenn Menschen in Mundart Musik machen, in dem Wissen und dem Bewusstsein, dass aufgrund dessen die Reichweite seiner*ihrer Kunst schon eingeschränkt ist und mit dem österreichisch habe ich dann als Kölnerin schon mal hier und da so meine Schwierigkeiten, das Kölsche liegt mir da, aus naheliegenden Gründen, näher (die Sprache nicht unbedingt das Bier).
Aber mit dem aufblättern der ersten Seiten und dem Lesen der Einleitung (mehr habe ich bis jetzt noch garnicht gelesen) bin ich schon überzeugt. Die Worte, beziehungsweise Sätze “6er-Tragerl” (was eine Zuneigung, Sanftheit und Fürsorge in diesem Wort steckt, wo Six-Pack nur roh, kalt und gefühlsarm ist), “Prost!” (immer ein gutes Wort), “Gratulation” (auch immer ein gutes Wort, voller Wertschätzung und meist gefolgt von einem Prost), “Bierografie” und “Das ist mir nicht erinnerlich” haben mich sofort überzeugt. Ich werde mal weiter lesen.
Ach so, wovon rede ich eigentlich? Wäre ja nicht so ganz unwichtig zu wissen. Ich rede, bzw. schreibe natürlich über das Buch “Gschichtn” von Marco Pogo. Ihn könntet ihr entweder aus medizinischen Gründen (weil Arzt) kennen, wahrscheinlicher aber aus politischen (weil Bierpartei und Bezirksrat) oder noch wahrscheinlicher aus musikalischen (weil war schon Sänger von Punkbands wie Turbobier und The Gogets).
Der Tag nach dem Weiterlesen:
Was soll ich sagen, wer schon mal ein Buch einer*s Musiker*in in der Hand hatte und vielleicht sogar tatsächlich gelesen hat und dieses Buch dann auch noch vom Leben als Musiker*in und das Tourleben thematisierte, der weiß, dass in diesem Kosmos anscheinend die schrägsten Dinge passieren. Von daher wundert es mich nicht, dass ich hier auch wieder einige Absurditäten zu lesen bekomme. Von mafiöser Reviermarkierung des eigenen Automobils, bis hin zum nächtlichen Leguanbesuch. Der Horizont der Leserschaft, oder zumindest meiner, wurde um eine Reihe abgefahrener alkoholischer Mischgetränke, beziehungsweise deren Namen erweitert (was sich so genau dahinter verbirgt ist mir immer noch nicht bei allen Getränken so ganz klar und auch dieses Internet könnte mehr Verwirrung als Aufklärung stiften). Mein Verdacht, dass in Russland auch mal gerne klare alkoholische Getränke konsumiert werden, wurde ebenso bestätigt wie die Vermutung “das in der Inneren Mongolei viele Dinge anders sind” als in Europa.
Außerdem gibt es einen kleinen Einblick, wie aus musikalischer Kasperei politischer Ernst wurde und wie (un-)sinnig und zweckmäßig ein Patronengurt als Zusammenhalter oder Sitzoptimierer der Kleidung ist und welchen Sinn- und Unsinn Sonnenbrillen, in Abhängigkeit von Zeit, Raum und Umgebungslicht, machen.
Das letzte Kapitel steht jedoch noch an, das habe ich mir aufgespart, weil der Titel einfach zu schön ist: “Oachkatzlschwoaf”. Neben dem Wort “Plüschprumm” ist “Oachkatzlschwoaf” eines der schönsten Mundartwörter überhaupt. Ob jetzt das letzte Kapitel hält was der Titel verspricht erfahrt ihr in ein paar Minuten. Moment, muss kurz lesen. Oh Mann, jetzt tut mir meine Einleitung in dieses letzte Kapitel wirklich leid! Denn dieses Buch endet mit unerwarteter Tragik und für den erlebten Schock habe ich vollstes Verständnis. Wirklich!
Also, jetzt muss wohl mal ein Resümee folgen: Ein durchaus unterhaltsames und zeitweiliges, bis elektrisierendes Buch, bei dessen Lesen man zwischendurch fast erleichtert ist, dass man so ein scheiß “normales” und langweiliges Leben hat, wie man es nun mal hat, dafür aber eben nicht u.a. neben Leguanen übernachtet und für gewöhnlich auch relativ selten Stromstöße abbekommt, wenn man nicht gerade an einen Weidezaun pinkelt (hab ich mir sagen lassen, kann ich aus anatomischen Gründen so jetzt nicht nachvollziehen). Sorge vor einer schier unüberwindbaren Sprachbarriere muss man nicht haben. Nur wenige landestypische Ausdrücke finden sich im Text und diese werden via Fußnote übersetzt, vielen Dank dafür.
Marco Pogos Buch “Gschichtn” ist im Seifert Verlag erschienen und erhältlich dort, oder euer*e Buchhändler*in um die Ecke besorgt es euch. Bekommen die sicherlich hin, wenn sie es nicht sogar vorrätig haben.