Erst kürzlich hat mich das im Vorjahr gegründete Label Running Out Of Tape Records mit dem EP-Tape der Streetpunker von Destructive abgeholt und (leider nur gedanklich) genau dort hingebracht, wo ich zur Zeit am liebsten sein würde: bei Punk und Pogo (das Review dazu gibt’s hier). Naja,ok, wenn ich ehrlich bin, würde ich mich zunächst langsam wieder rantasten, der Körper muss sich ja erstmal wieder dran gewöhnen, und dann der ganze Körperkontakt, Hilfe…(mein Tanzbereich, dein Tanzbereich, AHA und so…). Also fangen wir doch mal mit etwas Entspannterem an. Was zum Kopfnicken und Beinwippen vielleicht. Acoustic Punk zum Beispiel. Ach, was für ein Zufall – Shit Out Of Luck , das zweite der Tapes von Running Out Of Tape Records, über das ich schreiben darf, versprechen genau das. Und sonst auch nichts. Also wirklich überhaupt nichts. Ich bin ja echt großer Fan von stundenlangen Recherchen und kann mich regelrecht darin verlieren – in diesem Fall war ich schon von Anfang an lost. Über diese Band findet man wirklich absolut keine Information in den Tiefen des Internets. Lediglich deren Bandcamp Account verweist durch die Schlagwörter “Acoustic”, “Folk”, “Punk” auf die Musikrichtung, “Stuttgart” kenn’ ich auch. Kurz vor dem Nervenzusammenbruch habe ich dann glücklicherweise Sänger Tim aufgespürt, der mich mit Infos aus erster Hand versorgt hat:
Shit Out Of Luck bestehen aus Tim (Gesang, Gitarre) und Quentin (Drums/Cajon), beide wohnhaft in Stuttgart (Ha!) und machen seit Mai 2019 zusammen Musik. Abgesehen von diesem Projekt spielen sie noch bei den Bands Selbstmordkommando und Procrustynation. Das Album “Acoustic As Fuck” gibt es schon seit November 2019 bei Bandcamp, und jetzt eben in einer Auflage von nur 22 Stück auf Tape. Dieses enthält als Bonus noch den im Mai letzten Jahres auf Bandcamp veröffentlichten Song “Moonshine”.
Aber jetzt zur Kassette: Die Hülle beinhaltet einen einfachen Einleger mit den wichtigsten Infos und Fotos (Cover: Die Band irgendwo in der Nacht, irgendwo oben sitzend, also bestimmt irgendwo in Stuttgart, Innenseite: Live-Foto). Schade, dass keine Texte dabei sind (ja, ich wieder…aber da die Band textlich echt überzeugend ist, wäre das schon eine helle Freude). Aber das ist dann, wie sich beim Hören herausstellt, tatsächlich der einzige “Kritikpunkt” an diesem kleinen, quietschorangefarbenen Acoustic-Folk-Punk-Knallbonbon:
Direkt beim ersten Song “Til I Fall Asleep” verfalle ich unmittelbar dieser bittersüßen Angryness, die ich bisher nur von meinem persönlichen Godfather of Acoustic Punk Wayne Lost Soul kenne. Die Cajon, das ist definitiv jetzt schon klar, wird nicht “nur” begleitend, sondern als vollwertiges und wichtiges Instrument eingesetzt. Eigentlich bin ich jetzt schon emotional durch. Danach geht’s musikalisch erstmal heiter weiter, “Sorry For Pissing In Your Shoes” ist vielleicht jetzt schon unter den Top 10 meiner “Songtitel des Jahres”. Auch hier wieder, wie bereits im ersten Lied, so ein lässig eingebautes, entzückendes Mini-Gitarrensolo. Tempomäßig und inhaltlich holt mich “Sleeping Pills & Cigarettes” wieder zurück in meine wohlig-schaurige Herzschmerzhöhle. Mir gefällt, wie sich Tims stimmliche Klangfarbe emotional chamäleonartig anpasst und perfekt mit Quentin in den Refrains harmoniert (diese Formulierung ist so Punk!). “Too Many Problems” ist ein Cranford Nix (The Malakas) -Cover, das von der Band hier mehr als würdig umgesetzt wird. Ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen, dass ich bei Shit Out Of Luck deutlich mehr Druck dahinter höre und ich ihnen die hier besungenen Pläne, nicht alt zu werden, sofort abkaufe (so gesehen doch gut, dass es nur ein Cover ist). Und dann, am Ende – Surprise Surprise – ein deutscher Text: In “Ich Bin Raus” suchen sie nach Gründen morgens aufzustehen, und solchen, die das Leben lebenswerter machen würden (außer rauchen und saufen). Mir würde nach Hören der A Seite zumindest folgender einfallen: Macht einfach weiter genau diese authentische Musik, mit denen ihr kleine und große (Punk-)Seelen und Herzen erreicht und ihnen das Gefühl gebt, nicht alleine die Antworten auf all diese Fragen finden zu müssen.
Der erste Song der B-Seite knüpft thematisch und textlich (deutsch) an den letzten Song an: “Ziellos Durch Die Nacht” ist für mich jetzt schon eines der stärksten Lieder des Albums und ich sehe mich neben Kopfnicken und Beinwippen jetzt auch noch Tränen vergießend vor der Bühne…(vielleicht doch lieber gleich mit Pogo anfangen?). Bei “Break Free” könnte ich zumindest tempomäßig ein Pögchen anzetteln. Bei Letzterem kommen mir irgendwie The Dubliners in den Sinn (auch wenn die bestimmt kein Pupsgeräusch ans Ende ihres Songs packen würden). Weiter geht’s mit “Hey, hey, hey Johnny Rotten”… – äh, was?? Puh nein, zum Glück hab ich mich die ersten drei Durchläufe verhört. “Jolly Roger” heißt das letzte, offizielle Stück des Albums (schnell die Bilder im Kopf ersetzen, Trump-Fan vs. Piraten). Mit “Moonshine”, einer Hommage an dessen rauschhafte Wirkung, endet dieses musikalische Prachtstück: “If whiskey is the devil, then moonshine might be god…”
Mein Urteil: Run Run Run…ing Out For Tape und hier bestellen – LOVE TAPES, HATE RACISM <3
Achtung: Die zwei Musiker arbeiten seit einigen Monaten an nicht-akustischem Material und sind auf der Suche nach Zuwachs am Bass und der Lead Gitarre, “(…) um den neuen Scheiß in einer (hoffentlich) nicht allzu fernen Zukunft auf die wiederbelebten Bühnen zu bringen (…). Bei Interesse unbedingt melden unter: Shit_out_of_Luck@gmx.de