The Drums – Jonathan Pierce ist solo
The Drums sind keine Band mehr. Lediglich Jonathan Pierce ist geblieben. The Drums sind jetzt ein Solo-Projekt. Mit jedem Album erfinden sich The Drums neu – die Veränderung ist die Konstante in ihrer Vita. “Jonny” ist das sechste reguläre Album von The Drums. Im Laufe der Zeit schrumpfte die Band immer weiter, zuletzt verließ Jacob Graham das ursprüngliche Quartett. Er und Jonathan Pierce lernten sich als Schüler in einem Feriencamp kennen, gründeten erste Bands, bis 2009 The Drums entstanden.
Ihr Stil war ein erfrischender Mix aus dem Pop der 1950er Jahre Surf-Pop und dem Sound von Manchester. Insbesondere die Bands des Factory-Labels und die The Smiths waren große Einflüsse auf den Sound. Zudem ist der Gesangstil von Jonathan Pierce nah am Sänger Marc Almond. Zudem werden Pierce eine gewisse Ähnlichkeit zu Ian Curtis, dem Sänger von Joy Division nachgesagt. Anfangs ist ihr Sound eine fröhliche Mischung aus Melodien von Soft Cell und The Beach Boys.
Das the Musik zeitlos ist, beweist, dass mit “Money” ein Song des zweiten Albums “Portamento” zu Beginn des Jahres ein zweites virales Leben entwickelt. Allein auf Spotify wurde der Song über 230.000.000 gestreamt.
“Jonny” ist eine hoch dramatische Platte
Im Rückspiegel ist das Debüt “The Drums” eine unschuldige, fröhliche Platte. Brutaler kann der Gegensatz zu “Jonny” nicht sein – Jonathan Pierce hat nach einer Therapie seine Kindheit in diesem Album aufgearbeitet. Little Jonny braucht Mitgefühl, Geborgenheit, Liebe und das Verständnis seiner Mitmenschen.
Pierce überwindet nicht nur die schwere Dunkelheit, die ihn seit der Kindheit verfolgt. Diese Dunkelheit, die ihm das Gefühl der Unwürdigkeit einpflanzt und ihm noch Jahrzehnte nachwirkt. Er löst sich von ihr und liebt sie für das, was sie seinem Leben gegeben hat. Es sind die tiefen Wunden einer kaltähnlichen, religiösen Gemeinschaft, die er in seiner Kindheit erlebt hat.
“Sie ist niederschmetternd und triumphierend, sowie ist verloren und gefunden, sie ist verwirrt und sicher, sie ist weise und töricht.” Jonathan Pierce über “Jonny”
In seiner Sprache – der Musik – feiert Pierce sein chaotisches Leben und lädt dazu ein, die harten Linien zu lösen, die uns von uns und voneinander trennen. Er will die Schalen aufweichen, um Zärtlichkeit herein zulassen. Piere singt pathetisch, ein wenig narzisstisch vielleicht, aber immer schön. Manchmal kommt der Surf-Pop mit Geschwindigkeit daher. Dann wieder hört man wunderschöne Melodien mit mehrstimmigen Harmonien. “Jonny” versprüht einen unbändigen Optimismus und Freude sowie ein echtes Gefühl der Hoffnung.
Pierce zieht blank
Das Cover von “Jonny” zeigt Pierce in Nacktheit, kniend, dem Betrachter den Rücken zugewandt. Er stützt seine Ellenbogen auf einem Schreibtischstuhl ab und betet – nie ist ein Mensch nackter, als wenn er betet. Das Foto machte Pierce während seine Eltern im Gotteshaus waren. Er fotografierte sich an diesem Tag an mehrere Orten im Haus nackt. An Orten, an dem ihm als Kind Bedeutendes oder Traumatisches widerfahren war.
“… und da Humanismus meine Religion ist, wird das Album zu einem heiligen Ort der Anbeutung. … jeder Song ist eine Hymne an das menschliche Herz.” Jonathan Pierce über “Jonny”
Jonny ist ein Liebesbrief
“Jonny” ist ein Liebesbrief, den Pierce an seine jüngeren Ichs geschrieben hat. Das kleine Kind, das ein lebensveränderndes Trauma erlitt. Der Teenager, der sich durch einen Panzer vor der Außenwelt schützen mußte – der Tänzer, der Künstler, der Liebhaber. Alle Version seines Ichs haben eine Gemeinsamkeit: sie gaben Pierce das Gefühl nie genug zu sein.
In Songs wie “I want it all”, “Better”, “Obvious” und “Plastic Envelope / Protect him always” gibt es vor allem eins: minutes lange Selbstreflexion in Gesänge, die Pierce an sein jüngeres Ich richtet. Dazu gibt es minutenlange, wunderschöne Pop-Melodien, die den Hörer umgeben.
Die inneren Ecken der menschlichen Erfahrung
Pierce balanciert zwischen schmerzhafter Melancholie und einem zuckersüßen Pop, der den Hörer verführt und nicht mehr los läßt. “Jonny” ist Blick in ein von einem Prisma gebrochenen Lichtstrahl: ein Spektrum von Klangfarben wie funkelnden Gitarren, Hall, Modularen Synthesizern und Drum Machines. Trotzdem sind The Drums ihrer musikalischen DNA treu geblieben.
“Jonny” von The Drums ist ein Triumph der Verletzlichkeit, der den Hörer einlädt, sich auf eine Reise der Selbstentdeckung und Heilung zu begeben. Mit seinen fesselnden Melodien und tiefgründigen Texten, ist dieses Album ein Zeugnis für die anhaltende Kraft der Musik, die innersten Ecken der menschlichen Erfahrung zu erforschen.
Ob Fan der ersten Stunde oder interessierte Hörer, “Jonny” wird nicht enttäuschen und seinen Platz ihm Herzen und Ohr des Hörers einnehmen. Wer sich daran erfreuen möchte, bestellt direkt beim Label: ANTI sein Exemplar noch heute. Entweder als rote oder transparente Vinyl-Edition als vierseitiges Album mit sechzehn Songs, verpackt in ein hochwertiges Gatefold.
Vinyl ist für mich nicht nur Musik, sondern ein Erlebnis. Die von mir beschriebenen Alben, habe ich alle ausgepackt, angeschaut und angehört. Gerne auch mehr als ein Mal. Bei den Reviews mache ich mir immer ein eigenes Bild durch entsprechende Recherche und das konzentrierte Anhören. Das ist meine Art den Künstlern entsprechende Wertschätzung für ihre Kreativität und Kunst entgegenzubringen.
So kann es vorkommen, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens, die Platten in seltenen Fällen vergriffen sind.
Dazu gibt es für mich keine Alternative: über Platten schreiben, in dem man die Pressetexte abschreibt ohne die Platte in den eigenen Händen gehalten zu haben, macht für mich keinen Sinn. Danke für euer Verständnis. Lagartija Nick.