Ich reibe mir die Augen, mein Kopf brummt und ich habe unerträgliche Kopfschmerzen. Meine Zunge wiegt fünf Zentner – ein pelziger Geschmack macht sich breit. Meine Nackenwirbel fühlen sich an, als wenn mich ein Wookie durchgeschüttelt hätte und auch der Rest des Körpers sendet nur Signale von Schmerz und Taubheit. Was ist passiert?
Ich rappel mich langsam hoch und sehe den Tonarm in der Auslaufrille einer Schallplatte in der Endlosschleife. Ein leises statisches Knacken wiederholt sich rhythmisch und wird in meinen Kopf zigtausend-fach verstärkt zu einer auralen Folter per excellence. So langsam kommen mir die Bilder der Erinnerung. Ich hatte ein Platte aufgelegt, die Lautstärke auf maximal gedreht – dann wurde es dunkel. Ich blicke auf das Cover, mich blickt ein feister Henkersmann (Helge Jordal, einen der bekanntesten Charakterdarsteller Norwegens), der mir sagt: „Genau das mein Sohn war deine Strafe!“. Ich untersuche das Cover weiter und entdecke Bandname und Albumtitel: Vulture Industries mit „The Malefactor’s Bloody Register“. Das norwegische Höllenwerk hat mich anscheinend dermaßen überfahren, dass ich mich so elendig fühle.
Vorab meine Droogies – diese Platte ist ein Monster, ein Biest, was dauernd an der Leine zerrt, bis es sich losreißt und dich packt und nicht mehr loslässt. Es hat eine fast körperliche Präsenz, will den Kampf und nicht geliebt werden oder auf den Arm. Nur das später niemand sagt, ich hätte niemanden gewarnt.
Die vorliegende Platte kommt in blutrot und schwarz daher – bloddy Register sei dank – und ist aufwendig in einem Gatefold verpackt. Der Henkersmann ist ein bekannter norwegischer Darsteller, der wirklich ein ausdrucksvolles Gesicht hat und in der einen Hand die Bibel präsentiert und in der anderen Hand die bereits geknüpfte Seilschlinge für den Galgen. Farblich kommt das Gatefold und Innensleeve in Vintage-Brauntönen daher, Texte; Bandbilder und jede Menge Informationen. So weit so hübsch. Das Album selbst ist eigentlich aus 2010, hat aber jetzt erst Premiere auf Vinyl und ist eigentlich das zweite Werk der Band, die 1998 als Dead Rose Garden startete. 2003 änderte man den Namen in Vulture Industries und hat folgendes Line-Up: Bjørnar E. Nilsen – Gesang, Keyboards und Samples, Øyvind Madsen – Gitarren, Eivind Huse – Gitarren, Kyrre Teigen – Bass und Tor Helge Gjengedal – Drums und Percussion. „The Malefactor’s Bloody Register” von den Kritikern hoch gelobt und brachte die Band auf große Festivals wie das Hellfest Open Air und die Metal Days. Da die Band immer weiterwuchs, wuchs auch der Hunger der Fans nach etwas Neuem. So fiel die Entscheidung „The Malefactor’s Bloody Register”, das noch nicht auf Vinyl erschienen ist, auf Vinyl zu veröffentlichen. Erwähnenswert find ich noch, dass sich Bjørnar Nilsen für die Aufnahme und Brian Gardner (Isis, NIN, David Bowie) für das Mastering verantwortlich zeigen.
Das Album “The Malefactor’s Bloody Register” beleuchtet das Thema Verbrechen und die Bestrafung. Dabei wechselt mal immer wieder die Perspektive zwischen Verbrecher und des Henkers. Der Opener „Crooks & Sinners“ ist perfekt, da er in seiner schrulligen Art die Hörerschaft auf das Kommende einführt.
„Race for the Gallows“ kennt dann schon keine Gnade mehr und die Höllenfahrt nimmt Geschwindigkeit auf. Spannung und Farbe bekommt der Song durch die scheinbar warmen Hammond-Orgeln, die rauen Riffs und die eigenwillige Stimmfarbe des Sängers. Das Ganze geht weiterhin in Hochgeschwindigkeit von statten und ein wenig weiter, findet man in „The Bolted Door“ einen Song wieder, der fast ein Jazz-Track sein möchte, bis in die Riffs wieder in die richtigen Bahnen lenken. Am Ende des Songs zerfällt das Klangwerk wie so elendig langsam wie das „Habgier-Opfer“ im Thriller „Sieben“, welches nach einem Jahr Leiden, erst den erlösenden Tod findet. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böses, zeigt sich schön in „The Cursed Flesh“, welches eine herrliche Gitarrenmelodie besitzt, aber eben in diesen Wechseln ergeht.
„I hang my Heart on Harrow Square“ besitzt eine unglaubliche Dramatik. Der gebrochene Mann, der sein Wehklagen herausschreit. Das Stück „Of branded Blood“ beendet dann mit einem erneuten Kampf zwischen Gut und Böse das Album und lässt die Hörerschaft mit einem unguten Gefühl zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit zurück. Klasse, wenn Musik so berührt und mitnimmt.
Letzter Blick auf den Beipackzettel:
Vulture Industries spielen ihren theatralischen und dramatischen Avantgarde-Metal nah am Abgrund ohne jedoch abzurutschen. Der manische Derwisch Bjørnar Nilsen geht mit seiner Stimme direkt auf den schutzlosen Hörer los und lässt ihm in der Atmosphäre von wilden Wandlungen, Tempo-Wechseln und zugreifenden Melodien keine Chance. Das muss man mindestens 45 Minuten abkönnen, besser mögen. Vereinzelt tritt absurdes Kopfkino auf.
Wer das in Kauf nehmen mag und bekennender Liebhaber der sonderbaren, anderen Metals ist, sollte hier unbedingt zuschlagen.
Das ist ja der reinste Horror, hi! Nicht direkt was für mich, aber es macht schon Spaß, da beim Lesen mitzugehen!! Erstaunlich, Thomas, , wie du dich auf jede Band oder Genre so einlassen kannst. Wünsche der Band viel Erfolg!